6. Die Lawinenglocken
„Bachtälla“ und „Blötza“ heissen zwei der gefürchtetsten Lawinen im Lötschental. Sie haben eine gemeinsame Anbruchstelle an einer glatten Felsplatte des Tennbachhorns und teilen sich über dem Weissenriedban (Bannwald) in zwei Arme, die rechts und links an den Dörfern Weissenried und Ried vorbeidonnernd ins Tal stürzen. Ein Mauerkeil über dem Bannwald, die Lange Mauer geheissen, besorgt die Verteilung der Schneemassen. Ohne diesen Mauerschutz wären beide Dörfer längst verloren.
Einmal im Hochwinter waren zwei Jäger von Weissenried auf Schneeschuhen bis zur Langen Mauer gekommen. Da sahen sie mit Schrecken, wie oben in der Lawinenplatte ein „Lauwitier“ Schnee zusammentrug. Ein wilder Mann, es konnte nur der Böse sein, war ihm dabei behilflich.
Plötzlich ging die Lawine los, der Bock war vorgespannt und der Wilde sass auf dem Schnee wie ein Fuhrmann. Die Leute im Tale mussten die Gefahr geahnt haben. Auf einmal fingen die Glocken von Ried und Weissenried an zu läuten. Die Jäger hörten noch, wie der Fuhrmann dem Bocke rief: „Gschwind rit! Gschwind rit! Leits uf bedi Riädli!“ Darauf sagte der Bock unwirsch: „Mag nit; mag nit; die Gloggä singend äs anders Liädli“. Die Lawine teilte sich, wie immer, an der langen Mauer, und die Dörfer blieben verschont.
Der Goori meint zur Sache: Manchmal lohnt es sich etwas an die grosse Glocke zu hängen...