3. Die Zwerge auf der Lauchernalp

Unter der Waldärru, auf der Lauchernalp, dort wo heute das wunderschöne Skigebiet Erholung bietet, steht der Zwärglistein. Hier ist die Heimat der Lötschentaler Zwerge. Diese kleinen Wesen hatten zum Teil übermenschliche Kräfte. Im ganzen Tal verstreut stehen Denkmäler ihrer Riesenkraft, so etwa der Grynstein hinter Eisten oder der Müllerstein im Ferdenpass. Beide Kolosse wurden von Zwergen an ihren heutigen Standort getragen und aufgepflanzt zu ewigem Gedenken. Die Zwerge im Lötschental waren gut mit Guten und bös mit Bösen, aufgelegt zu liebevoller Hilfsbereitschaft, aber auch bereit zu boshaften Streichen. Sie waren überall und nirgends. Auf dem Milchboden in der Kummenalp zeigt man noch heute drei Zwerghofstätten, und vor gar nicht allzu langer Zeit wollen alte Leute noch den letzten Zwerg im Tal gesehen haben...

Einmal erwartete eine Zwergenfrau beim Zwärglistein in der Waldärru wieder ein Kind. Weil aber in der ganzen Gegend keine Zwergenhebamme zu finden war, machte sich der werdende Vater nach langem Besinnen auf den Weg nach Ferden, um dort die Talhebamme zu holen. Er klopfte zaghaft an die Tür und brachte rührend sein Anliegen vor. Die Frau half zwar gerne, wagte aber nicht so recht, ja zu sagen, denn man traute den Wichten halt doch alles Mögliche zu, besonders, wenn ihre Laune auf Schlechtwetter zeigte.

Nach langem Zögern entschloss sich die Hebamme trotzdem, mit dem geplagten Zwergenvater zu gehen. Nach mühsamer Wanderung trat sie in die niedliche Stube der Zwerge, wo die „Gnomini“ – so hiessen die Zwerge im Lötschental – lebten. Hier pflegte sie eine Woche lang Mutter und Kind. Als die beiden wieder drauf und „zwäg“ waren, wollte sich die Hebamme verabschieden. Der Zwergenvater sagte zu ihr: „Wir können dir als Lohn kein Geld geben, aber damit du siehst und spürst, dass wir dankbar sind, darfst du von der „Trächa“, der offenen Feuerstelle, ein paar Kohlen mitnehmen. Die Frau musste das Lachen unterdrücken, weil sie es nicht wagte, die guten Leute zu betrüben, und nahm eine Schürze voll mit. Auf dem Heimweg liess sie von Zeit zu Zeit ein Kohlenstück fallen, weil sie ihr zu beschwerlich wurden. Der Zwergenvater rief ihr mehrmals nach: „Je mehr du zatt, desto weniger du hatt!“

Ein paar Stücklein behielt sie in der Schürze, um daheim den Wochenlohn zeigen zu können. Als sie ins Dorf kam und auf dem Dorfplatz einige Waschfrauen beim Trog traf, sagte sie zu denen: „Ratet mal, was der Zwergenvater mir als Belohnung für meine Arbeit gegeben hat!“ Keine der Frauen konnte es erraten. Um die Wundernasen möglichst gleich aus ihrer Neugierde zu befreien, öffnete die Hebamme ihre Schürze – und was sehen sie alle? Ein paar glänzende, strahlende Goldstücke, die den Frauen entgegen leuchteten.

Ein vielfaches „Ah“ und „Oh“ ertönte, die Klatschmäuler staunten und die Hebamme war sprachlos und erschrocken. Als sie sich wieder gefasst hatte, erzählte sie die Geschichte von den Kohlen und wie und wo sie diese verächtlich fallen gelassen hatte. Die Frauen warfen ihre Waschschürzen weg, ergriffen einen Sack und rannten und stürmten los, den Weg hinauf zur Lauchernalp, um die weggeworfenen Kohlen zu suchen. Doch nicht einen der Goldklumpen fanden sie wieder. Beim Zwärglistein suchten die Frauen vergeblich nach der Zwergenfamilie. Ihre Behausung war verlassen, die „Gnomini“ weggezogen.

Der Goori meint zur Sache: Scheinbar wertlose Geschenke können es auch in sich haben ...